Auch Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer brauchen Vorgesetzte

Oft werden neue Führungskräfte ohne Einarbeitungszeit ihrem «Schicksal» überlassen. Ein Vorgänger, welcher einen einarbeiten könnte, ist nicht mehr da und der Vorgesetzte ist mit seinen eigenen Aufgaben sehr stark belastet.

Seien Sie als Führungskraft nicht zu ambitioniert. Sie müssen nicht fehlerfrei funktionieren und glauben, dass Sie alles allein im Griff haben müssen! Seien Sie sich rechtzeitig im Klaren, wie viel Verantwortung Sie tragen können, wollen und müssen und seien Sie sich bewusst, wie die Situation bezüglich Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen (AVK) in ihrem Unternehmen ist. Grundsätzlich sind die Aufgaben, Ver- antwortungen und Kompetenzen in einem Organisationsreglement und im OR formuliert.

Aber seien wir mal ehrlich: In der hektischen Bauindustrie und vor allem bei Führungswechseln hat man nicht immer Zeit, alles nach Reglement zu lösen. Die unterstellten Mitarbeitenden fordern schon längst fällige Entscheide von Ihnen, der Kunde drängt nach einem Angebot für einen wichtigen Grossauftrag und es gibt die tägliche Mailflut von Lieferanten und Kunden, welche noch die eine oder andere Pendenz mit Ihrem Vorgänger rasch möglichst lösen wollen. Plötzlich tauchen wie aus dem Nichts auch noch Altlasten von Aufträgen und Entscheiden auf, welche der vorgängige Stelleninhaber unterzeichnet und gefällt hat und über welche keine klaren Informationen vorhanden sind. Spätestens hier wäre nun der richtige Zeitpunkt, sich mit Ihrem Vorgesetzten über all diese Herausforderungen zu unterhalten, um mit seiner Rückendeckung Ihre Lösungsvorschläge umzusetzen.

Aber leider gilt der Gang von Führungskräften zum Vorgesetzten bei auftauchenden Problemen nach wie vor als Schwäche und viele Führungskräfte bauen sich in solchen Momenten über kurz oder lang einen Schutzschild auf. Sie versuchen, durch kompetentes Auftreten die Probleme wegzudiskutieren oder durch geschickte Verhandlungstaktik das «schwächste Glied» in der Kette zu finden, welches dann auf den Problemen sitzen bleibt. Doch dabei ist Vorsicht geboten, denn solche Probleme kommen rascher und viel grösser zurück und können zur kompletten Überforderung führen. Zudem ist in solchen Momenten die Gefahr gross, dass man die eine oder andere Kompetenzüberschreitung begeht, welche einem bald zum Verhängnis werden kann.

Ein weiterer Stolperstein für zu ehrgeizige Führungskräfte ist, wenn sie sich in «Ausreden» flüchten, wenn Sie keine qualitative Weiterentwicklung der Firma belegen können. Auf alle Fälle sollten Sie in solchen Situationen die unten stehenden Argumente nicht zu oft benutzen:

  • Ihre Branche befände sich in einem äusserst komplexen Markt mit unlauterer Konkurrenz aus dem In- und Ausland
  • Sie befänden sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld mit vielen Konkurrenten und extrem schlechten Margen
  • Die Mitbewerber würden die Aufträge unter den Einstandskosten "kaufen"
  • Etc., etc.

Ein weiteres beliebtes Phänomen von zu ehrgeizigen Managern, um mangelnde Innovationskraft zu kaschieren, sind übertriebenes Umsatzwachstum und dauernde Reorganisationen. Mit den jährlichen Reorganisationen machen Sie sich verdächtig, dass Sie eigentlich das Geschäft nicht verstehen und dass Sie sich elegant den Vorjahresvergleichen entziehen wollen, um dem Aktionär «Sand in die Augen» zu streuen.

Bevor Sie all diese Tricks und Kniffs anwenden müssen, seien Sie demütig und gehen Sie besser zu Ihrem Vorgesetzten und suchen Sie gemeinsam nach konstruktiveren Lösungen.

Es ist keine Schwäche, wenn man als Führungsperson seinen Vorgesetzten in die Lösungsfindung einbindet. Nein, im Gegenteil: Es ist ein Zeichen des Respekts gegenüber der Verantwortung, welche man bekommen hat, und es ist ein Zeichen dafür, dass Sie die Spielregeln, welche die AVKs vorgesehen haben, verstanden haben. Zudem zeigen Sie damit, dass Sie mit dem vom Aktionär eingebrachten Kapital nachhaltig umzugehen wissen und ihrem Nachfolger eine langfristig funktionierende Unternehmung überlassen wollen.

Wir wünschen Ihnen weiterhin eine konstruktive Zusammenarbeit mit Ihrem Vorgesetzten und eine innovative und unternehmerische Lösungsfindung bei Ihren Aufgaben als Chef.

Beim Text wurde der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Es sind selbstverständlich alle Geschlechter inkludiert.